im Gespräch mit einer Schulklasse

Reisekarma

Reisekarma

Jelle Brandt Corstius hat in seinem Buch »Universele Reisgids voor Moeilijke Landen« (Reiseführer für mühsame Länder) den Begriff des »Reisekarma« eingeführt. Für unseren Versuch zum »respektvollen Reisen« ist das ein sehr treffendes Wort und wir haben es daher gerne übernommen und sprechen jetzt vom Reisekarma, wenn wir uns zu diesem Thema Gedanken machen.

Worum geht es? Auf unserer Reise kommen wir viel mit der Armut der Menschen hier in Kontakt. Wenn der Weg vom Flughafen durch nicht endende arme Wohngegenden führt, wenn unser Fahrer von seinem Tages- oder Monatslohn spricht, wenn die Nachbarin vom Schulgeld ihrer Kinder erzählt, wenn ein neuer Freund uns sein „Zimmer“ zeigt und wir sehen, dass das er auf einer alten Matratze auf dem Boden schläft und sein gesamter Hausstand in eine kleine Holzkiste passt, wenn in einer Familie von sechs geborenen Kindern drei gestorben sind, wenn ein Mittagessen uns wenige Cent kostet, wenn die Kinder als einziges Spielzeug einen selbstgebastelten Drachen haben, wenn die Angestellte der Unterkunft morgens Stunden zu Fuß zur Arbeit läuft, … – immer werden wir daran erinnert, wie reich wir im Verhältnis sind, wie viel besser wir es auch nach den Maßstäben unserer Welt haben (immerhin sind wir grad für viele Monate auf Reisen!) und wie arm und oft auch chancenlos die Menschen leben, denen wir begegnen. Da kommen seltsame Impulse auf: jedem Bettler etwas geben, der Getränkeverkäuferin den doppelten Preis bezahlen, dem Zimmermädchen Geld schenken, dem Nachbarn das Schulgeld für seine Kinder bezahlen. Das unvermeidlich aufkommende Schuldgefühl ist zwar ein guter Einstieg, aber auf Dauer kein guter Begleiter. Also ist es gut, eine Haltung zu entwickeln und im Gespräch immer wieder neu zu hinterfragen. Was sind die genauen Verhältnisse im Land? Woher kommen sie? Was sind Ursachen, was trägt zur Erhaltung, was zum Umschwung bei? Wie hängt unser Wohlstand mit ihrer Armut zusammen? Neben dieser Analyse ist auch eine emotionale Antwort wichtig, um im Alltag und im Umgang mit den Menschen eine Richtschnur zu haben.

Offenheit und Ehrlichkeit in Geldfragen sind wichtig. Wie wir, sind auch die Menschen hier neugierig und fragen uns, wie viel wir wohl verdienen, was ein Flug von Europa nach Asien kostet, wie viel Miete wir bezahlen. Dann sollten wir ehrlich antworten und unseren Wohlstand nicht kleinreden. Besser ist es, die Dinge ins Verhältnis zu setzen und zu erzählen, dass auch wir auf einen Flug nach Asien sparen müssen und sicher unsere 7-monatige Reise lange vorbereitet haben.

Auch andere Dinge können zu einem guten Reisekarma führen. Respektvoller Umgang mit Menschen und Natur; mit den Sitten, Gebräuchen und der Religion der Menschen, die wir treffen. Menschen ernst nehmen, Beziehungen mit ihnen aufbauen. Voneinander Lernen. Die Reise soweit wie möglich als einen Austausch verstehen, in dem wir durch Erfahrungen und Eindrücke bereichert werden, aber auch etwas zurücklassen.

Wir können auch konkret etwas tun: Freiwilligen-Arbeit bei einer lokalen Organisation, Unterstützung einer lokalen NGO, gezielte Spenden, Ausgleich der CO2-Emissionen, die unser Reisen verursachen, wohl überlegte Unterstützung von Menschen. Und die kleinen Dinge: Das Handeln nicht immer bis zum Äußersten treiben; es fühlt sich zwar unschön an, auf dem Markt den doppelten Preis für das Gemüse zu bezahlen, ist aber zu verkraften, wenn es insgesamt nur 15 Cent kostet. Doch manchem Bettler etwas geben. Essen ohne oder nur mit wenig Fleisch. Wenn es passend erscheint, ein großzügiges Trinkgeld hinterlassen. Mit kleinen Geschenken (z.B. Mitbringsel aus Europa) Respekt und Dank ausdrücken. Den Nachbarn als Fahrer engagieren und nicht die landesweite Taxi-Organisation. Ãœbernachtung bei lokalen Pensionen und nicht bei internationalen Hotels, …

Und vor allem: ein gutes Reisekarma kann sich nur in guter Stimmung entfalten. Bei allen Widersprüchen, schockierenden Anblicken und dem Wunsch, verantwortungsvoll zu reisen, darf der Spaß, die Laune und das Vergnügen nicht verloren gehen. Wir sind also nicht zu streng mit uns. Wenn nach Tagen des Herumreisens, das große Hotel mit Schwimmbad verlockend ist; wenn die Hitze übermäßig ist und die Fahrt im klimatisierten Taxi sich anbietet; wenn die Weiterreise per Flugzeug in 3 Stunden, mit der Bahn in zwei Tagen möglich ist; wenn der teure, importierte Käse Abwechslung zum asiatischen Frühstück bietet; dann entscheiden wir auch danach, was für unseren Spaß und unser Wohlsein gut ist.

Das Reisekarma lebt auch davon, die Menschen und Erfahrungen unserer Reise mit nach Hause zu nehmen. Wir können auch von dort aus etwas bewegen (Bewusstsein, Spenden, politisches Engagement, Menschenrechte, Umwelt, Nord-Süd). Unserer Horizonterweiterung und den Erfahrungen und Erkenntnissen in unserem Leben einen Platz geben und anderen davon berichten. Das Glück unserer Geburt an einem privilegierten Ort verstehen – und es auch als Verantwortung sehen.

Wir pflegen unser »Reisekarma«.

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Wir hören gern, was Ihr so denkt: schreibt uns einen Kommentar!

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UNSERE NGO-AUSWAHL

One comment

  1. mechtilde   |   /

    Lieve Etienne, Thiess en Rachel,

    Volgens mij begint dit thema, van reiskarma, bij ons oordeel. Wij denken te kunnen beoordelen wat goed of slecht is, of beter en minder goed.
    Als voorbeeld: rijk is beter/prettiger, arm is minder goed/minder prettig. We zijn daar zelfs nogal zeker van.

    Volgens mij is een reis zoals deze een uitgelezen mogelijkheid om de voordelen van arm en rijk te onderzoeken. En eens te gaan zien wat er voor zaken zijn, voordelen, die wij rijke westerlingen, niet hebben, omdat we rijk zijn. Zijn er voordelen aan arm zijn? Gaat er iets verloren als mensen rijk geworden zijn, en zo ja, wat dan? En is rijkdom of armoede bepalend voor hoe je je in wezen voelt?
    En hoe komt ons oordeel tot stand? En hoeveel kunnen we met dat oordeel, anders gezegd, hoe waar/onwaar of relatief/absoluut en stevig en werkbaar is het oordeel? En is het ook mogelijk om zonder oordeel te kijken? Al is het maar voor een minuut?

    Dit kwam bij mij op over dit thema. Ben wel benieuwd hoe jullie dit zien.

    Geniet van jullie bijzondere omstandigheden, zo even weg uit de westerse, rijke cultuur!

    Lieve groet,
    Mechtilde